Trodena (Ort / Truden / Italienisch)

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Koordinaten: Ost (UTM): 680889.02, Nord (UTM): 5132464.29

Trodena
Standarditalienische Form
[ˈtroːdena]
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Italienisch-mundartliche Form
[ˈtrodena]
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Gemeinde mit gleichnamiger Fraktion im Fleimstal.

Inhaltsverzeichnis

[bearbeiten] Standarditalienische Form

[bearbeiten] Weitere Namen

Truden (Ort / Truden)

[bearbeiten] Anmerkungen

[bearbeiten] Etymologie

Am ehesten rät. *Trúθena oder *Trúte-na 'Gebiet einer Person namens *Truθe oder *Trute.

Ausführlichere Besprechung des Namens

Dem Namen Truden wird in der traditionellen Forschung die ursprüngliche Bedeutung ‘Gelände mit Wegen und Steigen (Übergangssteigen)’ zugrundegelegt, zumal er als Ableitung von einem lateinischen Substantiv trogiu ‘Fußsteig, Weg, Vietrieb’ betrachtet wird (Kühebacher, S. 482–483). Das Substantiv trogiu, das seinerseits aus einer vorrömischen Sprachschicht stammt, ist in der Tat im Wortschatz der Tiroler Mundarten vielfach vertreten, und zwar als Trai(dn), Troi(dn) und Trui(dn), stets mit der Bedeutung ‘Viehweg’ (vgl. Schatz, S. 650). In vielen Fällen wurde das Wort auch zum Namen und konnte daher zur Bildung der uns bekannten Familiennamen vom Typ Trojer und Troyer dienen (Finsterwalder, Tiroler Namenkunde, S. 247). Auch in den welschen, d. h. italienischen bzw. ladinischen Mundarten Tirols und darüber hinaus finden wir zahlreiche Reflexe von trogiu, so z. B. trientnerisch tróz, trózo, nonsbergisch truèc’, truèz, valsuganottisch tródo, engadinisch, grödnerisch, friaulisch troi ‘Weg’ (Quaresima, S. 493). Ebenso in Welschtirol finden wir trogiu als Name, und zwar in einem bei Arco befindlichen Weiler namens Troiána sowie im Welschtiroler Familiennamen Troián, Trogián (Cesarini Sforza, 91).

So sehr sie allenfalls sachlich passen würde – Truden liegt in der Tat nicht unweit von einer seit je stark frequentierten Handelsroute zwischen dem deutschen und welschen Kulturraum – an der traditionellen Deutung des Namens Truden müssen, aus einem morphologischen (= formalen) Grund und mehreren phonologischen (= lautlichen) Gründen Einwände erhoben werden. 1. Der morphologische Grund: Mit den genannten italienischen Namen Troiána, Troián, Trogián wurde es bereits angedeutet: Ableitungen von lateinischen Wort trogiu konnten entweder mit dem typischen Zugehörigkeitssuffix Suffix -ānu/-āna (> *trogiānu/*trogiāna) oder bestenfalls mit dem Adjektivsuffix -īno (> *trogiīnu/*trogiīna) gebildet werden. Und diese Formen hätten im späteren Alpenromanischen, aus dem auch das mundartliche Italienische des Fleimstals hervorging, *Troján/*Trojána bwz. *Troín/*Troína ergeben. Diese Bildungen hätten im Zuge der Eindeutschung, mit der auf jeden Fall nach etwa 1100 zu rechnen ist, im Bairisch-Tirolerischen zu *Trajón > *Trajún bzw. *Traáin > *Tráin geführt. Bei genauerer Betrachtung des Namens Truden bzw. der italienischen Entsprechung Trodena kommt man dagegen zum Schluss, dass diesen Formen nur ein unbetontes Suffix -ena oder -ina zugrundeliegen kann. Ein solches Suffix ist für das Lateinische und daher auch im Zusammenhang mit *trogiu (> *Trógiena oder *Trógiina) undenkbar. 2. Die phonologischen Gründe: Im Alpenromanischen, das speziell dem betreffenden Gebiet vorausgeht, war das g in trogiu geschwunden, d. h. es ist mit einer lokalen alpenromanischen Form *trojo zu rechnen, aus der die bereits genannten Formen vom Typ Troi(dn) und Trui(dn) hervorgingen. Kein Weg hätte von dem j in trojo zu dem d in Truden geführt! Aber auch das einfache u in Truden gegenüber dem Diphthong oi in *trojo müsste begründet werden. Bestenfalls wäre also eine lateinische Form *Trógiena oder *Trógiina anzusetzen, und diese hätte aber im Deutschen *Troien oder *Truien und im Italienischen *Tróiena ergeben. Dass dieser Ansatz zudem aus morphologischen Gründen scheitert, wurde bereits erörtert.

Truden – ein rätischer Name?

Aus morphologischen und phonologischen Überlegungen darf man zum Schluss kommen, dass der Name Truden nicht erst von den Römern, sondern von einem Volk oder einer Sprachschicht geprägt wurde, die vor den Römern im benannten Gebiet präsent war. Welches Volk oder welche Sprachschicht konnte gemeint sein? Die Antwort darf gleich vorweggenommen werden: Die Räter bzw. das Rätische.

Das Rätische lässt sich vermutlich mit Beginn der Eisenzeit im Alpenraum ausmachen. Beim Rätischen handelt es sich um eine nicht-indogermanische Sprache. Es ist eine Schwestersprache des Etruskischen, also jener Sprache, deren Kerngebiet Etrurien, das ist in etwa die heutige Toskana, war. Das Rätische ist die erste Sprache im Alpenraum, die uns Inschriften hinterlassen hat. Es handelt sich um ca. 100 so genannte rätische Inschriften, die in einem Runenalphabet auf Eisen, Knochen, Ton, Keramik und sonstigen verzierten Kunstgegenständen eingeritzt wurden. Ein lautliches Charakteristikum des Rätischen ist z. B das Fehlen des Vokals o. Über das Rätische ist nur sehr wenig bekannt. Dank der ca. 100 überlieferten rätischen Inschriften wissen wir aber, dass es im Rätischen üblich war, mittels des Suffixes -na Ableitungen von Personennamen zu bilden. Auf kunstvoll gefertigten Gegenständen, die vermutlich kultischen Charakter hatten, wurden oft der Name und die familiäre Herkunft des Weihenden und der Name der Gottheit eingeritzt, dem der Gegenstand geweiht war. Das Suffix -na bedeutete wahrscheinlich ‘Sohn, Tochter’ oder ‘Gegenstand einer Person namens X’ und drückte somit Zugehörigkeit aus. Nicht wenige Ortsnamen im Tiroler Raum, die dieses Suffix beinhalten, könnten dem Rätischen zugewiesen werden. Genaugenommen könnte es sich hierbei um rätische Gebietsnamen handeln, und sie könnten demnach ‘Gebiet einer Person namens X’ bedeuten. Beispiele: Brixen < *Príkse-na, Ritten < *Rítθe-na, Lajen < *Láje-na, Lüsen < Lūki-na, Rasen < *Rasi-na, Pfatten < *Wáti-na, Tisens < *Tísi-na, Fritzens < *Frútji-na, Vahrn < *Wári-na, Garn < *Kári-na, Feldthurns < *Wélθur-na und Wipp-tal < lat. Vipitenum < rät. *Wípiθe-na (vgl. Kollmann, Name Brixen, 13–27). Zu den rätischen Auffälligkeiten könnte ferner das Suffix -ale gehören. Wir finden es z. B in den Namen Tirol < Tirále < *Tir-ále, Senale < *Sen-ále (italienischer Name für Unsere liebe Frau im Walde am Nonsberg), Romallo < *Rum-ále (Gemeinde am Nonsberg) und Tonale < *Tun-ále (Übergang zwischen dem Sulzberg und der Val Camonica). All diese Namen könnten ‘in den Bereich einer Person namens X’ bedeuten, sind im Grunde ebenfalls eine Art Besitzernamen. Ansonsten wissen wir über das Rätische leider nicht viel, zumal es sich hierbei um keine indogermanische Sprache handelt und wir nicht, auch mit nur entfernten verwandten Sprachen, vergleichen könnten.

Um auf den Namen Truden zurückzukommen, so lässt sich auch dieser rätologisch deuten: Ansetzen ließe sich rätisch *Trúte-na oder *Trúθe-na, und analog zu den bereits genannten Namen Brixen, Ritten, Pfatten usw., konnte dieser Begriff ‘Gebiet eines *Trute oder *Truθe’ bedeuten (das Zeichen θ ist ein stimmloser interdentaler Reibelaut wie th in englisch thing). Im Etruskischen, der Schwestersprache des Rätischen, ist das Verb trut bzw. truθ bezeugt. Dessen genaue Bedeutung ist nicht ganz sicher, auf jeden Fall bezeichnete es aber eine sakrale Handlung und es steckt somit auch in den etruskischen Ableitungen trutnuθ und trutnvt: Titel eines Priesters für Weissagung bzw. eines Priesters, der den Blitz deutet (Pallottino, Etruskologie, 487).

Unter Berücksichtigung der etruskischen Belege könnte sich auch aus dem Rätischen schließen lassen, dass ein anzusetzender Personenname *Trute oder *Truθe ursprünglich für eine Person gelten konnte, die eine ganz bestimmte soziale Stellung innerhalb ihres Stammes innehatte und die sicher nur sozial höher stehenden Personen vorenthalten war. Nicht zuletzt deshalb wäre es ebenso vorstellbar, dass das Gebiet von Truden nach einer solchen für die Gemeinschaft „wichtige“ Person benannt werden konnte.

Der rätische Name *Trútena oder *Trúθena ‘Gebiet eins *Trute oder *Truθe’ konnte zu *Trútena latinisiert werden. Im Alpenromanischen musste *Trútena regulär *Trúdena ergeben. Dieses entwickelte sich im Deutschen zu Truden weiter, während es im Welschen, d. h. Italienischen bzw. Ladinischen Tródena ergeben konnte. Die urkundlichen Belege des Namens Truden weichen von den heutigen modernen Formen überraschend geringfügig ab. Sie lauten u. a.: 1111 Trodene; 1112 Trodena; 1172 Trodena; 1234 Trodena. Zwar sind all diese Formen in einem lateinischen Kontext überliefert, aber am o kann man erkennen, dass es sich um die welsche Form handelt, die im modernen italienischen Namen Trodena kontinuierlich bis zum heutigen Tag fortlebt. Die eingedeutschte Form begegnet uns erstmals im Jahr 1286 und sie lautet Truden, hatte also schon damals ihre heutige Lautgestalt. Belege vom Typ Trudena, die wir ab dem Jahr 1295 antreffen, dürften dagegen entweder als archaisierende welsche Form (wegen des u) oder als latinisierende deutsche Form (wegen des a) zu werten sein.

Weitere rätische Ortsnamen im Bozner Unterland

Als Kandidat für einen rätischen Namen steht Truden nicht isoliert da. Weitere womöglich rätische Namen im Bozner Unterland sind Pfatten < *Wátina, das bereits oben genannt wurde, und auch Enn, das freilich dasselbe wie Egna, der italienische Name für Neumarkt, ist. Zumindest aus morphologischen Gründen ließe sich Enn bzw. Egna dem Rätischen zuordnen: Ansetzen ließe sich *Éndida oder *Éndide, und der Endung nach erinnert diese Form an *Wéldida oder *Wéldide, die in Veldidena, dem lateinischen Namen für Wilten, enthalten ist. Die Form Veldidena ihrerseits erinnert wiederum an Vipitenum, den alten Namen für Sterzing, der heute in Wipp-tal weiterlebt.

Zitierte Literatur:

Finsterwalder, Karl: Tiroler Namenkunde. Sprach- und Kulturgeschichte von Personen-, Familien- und Hofnamen. Mit einem Namenlexikon. Innsbruck 1978.

Kollmann, Cristian: Alte und neue Überlegungen zum Namen Brixen. In: Brixen. I. Die Geschichte. Im Auftrag des Vereins „Prichsna 901–2001“. Herausgegeben von Barbara Fuchs, Hans Heiss, Carlo Milesi und Gustav Pfeifer. Bozen 2004, 13–27.

Pallottino, Massimo: Etruskologie. Geschichte und Kultur der Etrusker. Aus dem Italienischne von Stephan Steingräber. Basel, Boston, Berlin 1988.

Quaresima, Enrico: Vocabolario anaunico e solandro. Firenze 1964. Nachdruck 1991.

Schatz, Josef: Wörterbuch der Tiroler Mundarten. Innsbruck 1955. Nachdruck 1993.

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